Plastik – das ist eine Vielzahl von Kunststoffen, die in verschiedenen Produkten eingesetzt werden und damit aus unserem Alltag kaum mehr wegzudenken sind. Gleichzeitig geraten die Materialien in die Kritik durch immer stärkere Auswirkungen auf Mensch und Natur, zum Beispiel durch Müll in unseren Meeren. Im „Plastikfreien Juli“ dreht sich daher alles um die Kunststoffe in einer neuen Serie von Beiträgen:
- Welt aus Plastik
- Recycling von Kunststoffen
- Plastik in der Kritik [dieser Artikel]
- Trend Bio-Plastik
- Synthetische Fasern – Plastik in der Kleidung
„Plastik ist das Material des 21. Jahrhunderts, aber es ist auch das Problem des 21. Jahrhunderts.“
Benjamin Bongardt, NABU
Trotz der vielen praktischen Eigenschaften der Kunststoffe wächst auch die Kritik an Plastik. Zu groß sind in den letzten Jahren die Auswirkungen auf den Menschen und unsere Umwelt geworden. Probleme können dabei in der Herstellung, Transport, Nutzung und Entsorgung der Kunststoffe auftreten. Die Frage bleibt, wie und bei welchen Produkten es Alternativen gibt und was wir mit dem bestehenden Plastikmüll in unserer Umwelt tun.
Negative Auswirkungen in der Herstellung
Kunststoffe werden primär aus fossilen Rohstoffen wie Erdöl oder Erdgas hergestellt. Allein 8 % des weltweit geförderten Rohöls werden für die Produktion von Kunststoffen verwendet. Dabei ist Erdöl nicht nur ein endlicher Rohstoff, der irgendwann zur Neige geht. Auch haben die Gewinnung und der Transport oft negative Auswirkungen auf Mensch und Natur. Und je weniger Erdöl es gibt, desto mehr Anstrengungen muss der Mensch unternehmen mit mehr und mehr Schäden für die Natur.
In den Fördergebieten für Erdöl werden die Umwelt- und Menschenrechte oft nicht genug beachtet. Davon sind vor allem die Menschen vor Ort, meist in ärmeren Regionen und auch indigene Völker betroffen. Beim Fracking gelangen beispielsweise giftige Substanzen in Luft und Wasser, die Krebs oder andere gesundheitliche Schäden verursachen können. Durch Lecks oder Unfälle auf Bohrplattformen oder Öltankern geraten jedes Jahr große Mengen an Erdöl in die Gewässer mit verheerenden Auswirkungen für Tiere und Natur.
Bei der Gewinnung, dem Transport und der Weiterverarbeitung der fossilen Rohstoffe werden auch viele Emissionen freigesetzt. Da die Nachfrage nach Erdöl für Plastik weiter steigt, hat das auch eine wachsende Bedeutung für den Klimawandel.
Aber auch die Verwendung von erneuerbaren Rohstoffen kann kritisch sein (mehr dazu in Teil 4: Trend Bio-Plastik). Zum einen stehen die Pflanzen bzw. die Flächen dann nicht mehr für die Produktion von Nahrungsmitteln zur Verfügung. Oder es werden extra Wälder dafür gerodet. Zum anderen verbraucht auch der Anbau Energie, Dünger und Pflanzenschutz, die Auswirkungen auf die Umwelt haben können.
Bei der Herstellung der Kunststoffe werden dann verschiedene Zusatzstoffe (Additive) beigemischt, um bestimmte Eigenschaften zu erzielen (z. B. Weichmacher, Stabilisatoren, Farbstoffe). Viele dieser Additive sind gesundheitsschädlich. Da sie nicht fest im Plastik gebunden sind, können sie mit der Zeit entweichen (auch durch Wärme und Sonnenlicht) und in die Luft gelangen – und darüber auch in den Körper.
Gerade für Kinder ist das kritisch, da sie Produkte häufiger in den Mund nehmen und mehr Luft einatmen als Erwachsene. In einer Überprüfung von Plastikspielzeug in der EU, wurden trotzdem in jedem fünften Spielzeug Schadstoffmengen über den gesetzlichen Grenzwerten gefunden. Besonders kritisch ist, dass Weichmacher zu den hormonell wirkenden Substanzen gehören. Sie können das Hormonsystem des Körpers aus dem Gleichgewicht bringen und damit verschiedene Krankheiten verursachen.
Auch Frauen sind oft stärker gesundheitlich betroffen als Männer, da ihre Körper anders auf die Giftstoffe reagieren. Gerade in der Schwangerschaft können sie auch sehr sensibel auf die Schadstoffe reagieren. Auch sind in vielen der von Frauen verwendeten Hygieneprodukte Kunststoffe, die hormonell wirkende Additive enthalten können.
Problem der Entsorgung
Am deutlichsten werden zurzeit aber die Probleme bei der Entsorgung und Wiederverwertung der Kunststoffe. Zum einen ist das die Entsorgung des gesammelten Mülls und zum anderen die Auswirkungen der Abfälle, die nicht ordnungsgemäß gesammelt wurden und in die Umwelt gelangen. Denn über 75 % der bisher hergestellten Kunststoffe sind mittlerweile Müll (Plastikatlas 2019).
In Deutschland fielen 2017 rund 6,15 Mio. Tonnen Kunststoffabfälle an (Umweltbundesamt), die größtenteils werkstofflich oder energetisch verwertet wurden (siehe auch Teil 2: Recycling von Kunststoffen). Der Müll wird dabei aber nicht nur in Deutschland entsorgt, sondern auch ins Ausland exportiert. Bei den Kunststoffen sind das bis zu 20 % der Abfälle. Übrigens exportiert Deutschland insgesamt auch mehr Müll als beispielsweise Maschinen (Handelsblatt).
Während der Müll eine Zeit lang oft nach China ging, hat das Land seine Müllimporte stark beschränkt. Nun exportiert Deutschland seinen Müll in andere Länder, größtenteils nach Südostasien (z.B. Malaysia). Diese Exporte sind deshalb problematisch, weil es vor Ort oft keine gute Recyclingsysteme und –anlagen gibt. Ein großer Teil des Mülls wird dann verbrannt oder landet auf einer Deponie. Dies hat wiederum ökologische Auswirkungen durch Emissionen und Schadstoffe, die in die Natur und die Gewässer gelangen. Unter dieser Verschmutzung leidet vor allem die lokale Bevölkerung.
Viele Organisationen setzen sich daher gegen diese Müllexporte ein. Auch der Bundesrat hat die Regierung aufgefordert, weitere Exportverbote für gesundheits- oder umweltschädlichen Kunststoffmüll außerhalb der EU zu prüfen. Kontrollen für illegale Ausfuhren sollen verschärft werden und Drittländer über die Entwicklungszusammenarbeit beim Aufbau eigener Entsorgungssysteme unterstützt werden.
Noch größer sind die Auswirkungen des Plastiks, das nicht ordnungsgemäß entsorgt und recycelt wurde. Allein ein Drittel der Plastikverpackungen werden nicht ordnungsgemäß entsorgt und landen unter anderem als Müll im Meer. Jedes Jahr gelangen so 10 Mio. Tonnen Plastik ins Meer. Das ist etwa ein LKW voller Plastik pro Minute. (Plastikatlas 2019)
Es gibt mittlerweile mehrere große Müllstrudel im Meer, wo sich besonders viel Plastik gesammelt hat. Der bekannteste ist der Great Pacific Garbage Patch, der 4,5-mal so groß wie Deutschland ist. Aber mittlerweile ist das Plastik überall, auch in kleineren und lokalen Gewässern. Auch an der tiefsten Stelle, im Marianengraben, wurde schon Plastik gefunden. Der Großteil des Plastiks ist dabei Einwegplastik.
Insbesondere in der Tiefsee kann Plastik noch schlechter abgebaut werden und tausende von Jahren bestehen bleiben. Die Kunststoffprodukte zerfallen höchstens in kleinere Einzelteile, wobei wiederum Schadstoffe aus den Additiven freigesetzt werden können.
Jedes Jahr sterben bis zu 135.000 Meeressäuger und eine Million Meeresvögel durch den Müll (Nabu). Die Plastikabfälle verstopfen den Verdauungsapparat der Tiere oder sie verfangen sich und sterben an den Verletzungen.
Neben diesen größeren Abfällen aus Plastik stellen aber auch die kleinsten Kunststoffteile – das Mikroplastik – eine große Gefahr für die Natur dar. Sie stammen beispielsweise aus Kosmetikprodukten oder Putzmitteln und gelangen so irgendwann in die Gewässer. Als größte Quelle für Mikroplastik in Deutschland gilt aber der Abrieb von Autoreifen. Aber auch von Kunstrasen oder Textilien gelangt Mikroplastik in die Natur. Aufgrund ihrer Oberflächeneigenschaften ziehen die kleinen Kunststoffteilchen Gifte an. Werden sie dann von Tieren in der Nahrung mit aufgenommen, hat das gesundheitliche Folgen für sie.
Über das Wasser und die Nahrung kommt dieses Mikroplastik auch irgendwann zu uns Menschen zurück. Eine Studie hat herausgefunden, dass jeder Mensch im Durchschnitt pro Woche 2.000 kleinste Teilchen Plastik konsumiert. Das entspreche ungefähr fünf Gramm Plastik, also das Gewicht von einer Kreditkarte. Die genauen Auswirkungen davon sind noch nicht klar.
Rund 80% der Meeresverschmutzung hat dabei seinen Ursprung an Land (UNEP). Der Müll gelangt dann über Flüsse ins Meer. Und auch an Land selbst gibt es eine große Verschmutzung durch Mikroplastik, teilweise um ein Vielfaches höher als im Meer. Mikroplastik gelangt beispielsweise über Klärschlamm in die Böden und verändert so deren Struktur und Mikroorganismen mit bisher noch unbekannten Folgen.
Plastik ersetzen?
Bei all den Problemen stellt sich auch die Frage, welche Alternativen es für Kunststoffe gibt. Zurück zu Elfenbein oder anderen seltenen natürlichen Materialien kann nicht die Lösung sein. Und selbst bei nicht leicht nachwachsenden Rohstoffen stellt sich die Frage, welche Mengen hier für Mensch und Natur verträglich sind.
Beispiel Verpackung: Diese hat viele wichtige Rollen von Informationen für den Verbraucher bis zum Schutz des Produktes auch bei Transport und Lagerung (siehe auch Verpackungen in der Kreislaufwirtschaft). Die Kunststoffindustrie setzt hier viel Kunststoff ein, weil die Materialien sich flexibel für den Einsatzzweck anpassen lassen. Sie kämpft daher auch gegen das schlechte Image der Plastikverpackungen, z.B. über das Portal „sicher verpackt“.
Gerade bei Lebensmitteln unterstützt die Verpackung auch die Haltbarkeit und verhindert damit Lebensmittelverschwendung. Auch um die Hygiene zu gewährleisten (z.B. Kosmetik, Medikamente) kommt oft Plastik zum Einsatz. Verpackungen aus Glas oder Papier benötigen in der Herstellung außerdem mehr Energie und durch ihr höheres Gewicht auch mehr CO2-Emissionen im Transport als der leichtere Kunststoff.
Doch unterm Strich bleibt die Herstellung aus fossilen Ausgangsmaterialien wie Erdöl und das geringe Recycling nicht nachhaltig. Auch die Industrie der Kunststoffverpackungen selbst setzt daher auf eine Stärkung des Recycling. Bis 2025 sollen 1 Mio. Tonnen Recyclingmaterial oder nachwachsende Rohstoffe für Kunststoffverpackungen eingesetzt werden. Außerdem sollen mindestens 90% der Haushaltsverpackungen recycling- oder mehrwegfähig werden.
Neben dem Recycling bleiben in einer Kreislaufwirtschaft aber auch andere Wege, z.B. wiederverwenden (also Mehrweg statt Einweg) oder der Verzicht (siehe Zero Waste). Auch die globale Aktion “Plastikfreier Juli” (Plastic Free July) motiviert dazu auf Einwegplastik zu verzichten. Für viele Produkte gibt es auch schon gute Varianten aus anderen Materialien, siehe Alternativen für Trinkhalme aus Plastik.
Hier setzt auch die Politik an, indem sie zunächst die Produkte verbietet, die sich schon gut ersetzen lassen. Ab 2021 sollen so zum Beispiel verschiedene Plastikprodukte wie To-Go-Becher, Einweg-Geschirr, Fast-Food-Verpackungen oder Trinkhalme verboten werden. Dies soll auch für die biologisch abbaubaren Kunststoffverpackungen gelten. Ein entsprechendes Gesetz hat die Bundesregierung im Juni auf den Weg gebracht.
Deutschland folgt damit auch den Vorgaben aus der EU, die verschiedene Produkte aus Einwegplastik ab Juli 2021 in der EU verbietet. Im Rahmen ihrer Aktivitäten für eine Kreislaufwirtschaft hat die EU 2018 auch eine europäische Strategie für Kunststoffe in der Kreislaufwirtschaft vorgelegt. Demnach sollen bis 2030 alle Kunststoffverpackungen wiederverwendbar sein oder kosteneffizient recycelt werden können.
Offen bleibt was mit anderen Produkten aus Kunststoff ist. Neben den Verpackungen gibt es ja durchaus auch viele andere Produkte von Kinderspielzeug, über Möbel bis hin zu Kleidung aus Plastik. Auch wenn gerade Kunststoffverpackungen problematisch und daher im Fokus sind, sollten die anderen Produkte nicht vergessen werden. Und neben den leicht zu ersetzenden Produkten, sollten sich Hersteller auch auf die Suche nach neuen Lösungen für die „schwierigeren Fälle“ machen.
Was tun mit dem Plastikmüll?
Auch wenn es erste Lösungen für Veränderungen in der Zukunft gibt, bleibt die Frage, was wir mit dem bestehenden Plastikmüll in der Welt machen.
Eine pragmatische Möglichkeit ist den Müll wieder aufzusammeln, z.B. im Rahmen einer lokalen Aufräumaktion („Clean-up“). Es gibt mehrere Organisationen, die das freiwillige Aufräumen von Stränden, entlang von Flüssen oder in Parks organisieren. Das bekämpft natürlich nicht die Ursache, aber immerhin wird der Abfall dann über den regulären Weg entsorgt und so nicht mehr zu einer Gefahr für Tiere. Auch können die aufgeräumten Gegenden wieder von Einheimischen und Touristen für die Erholung genutzt werden. Und nebenbei wird so oft medienwirksam über das Müllproblem aufmerksam gemacht und so hoffentlich ein Teil der Verschmutzung in Zukunft vermieden.
Um auch aus dem Meer Plastik zu säubern hat der Niederländer Boyan Slat The Ocean Cleanup gegründet. Die NGO entwickelt Technologien, um Plastikabfälle aus dem Wasser zu reinigen. Der solarbetriebene schwimmende„Interceptor“ sammelt beispielsweise bis zu 100.000kg Müll pro Tag aus Flüssen.
Das gesammelte Plastik muss dann natürlich wieder dem Recycling zugeführt werden. Viele Hersteller (z.B. Patagonia, Adidas, H&M) haben in den letzten Jahren auch Produkte entwickelt, die mit aus dem Meer recyceltem Plastik hergestellt wurden.
Wie so oft gibt es also schon gute Lösungen – sie müssen sich nur mehr verbreiten.
2 Kommentare
Ein Artikel, der dazu animiert, über das eigene Kaufverhalten nachzudenken. Und auch das Trennen von Müll muss aus meiner Sicht immer wieder überprüft werden.
Wenn es keine Fastfood-Verpackungen mehr geben soll, wie wird das Essen dann verpackt? Wie sieht das bei Essenslieferungen nach Hause aus? Insbesondere dann, wenn es keine regelmäßigen Lieferungen sind.
Genau, beim Mülltrennen ist leider noch viel Luft nach oben. Das mit den Fast-Food-Verpackungen wird gerade in Zeiten von Corona wieder mehr zum Problem. Aber es gibt auch schon erste Ideen für Alternativen. Oder zumindest beim Mitnehmen eigene Behälter mitbringen. Ich glaube, dazu wird es auch noch einmal einen Beitrag geben.