Warum ein Recht auf Reparatur?
Ein Produkt geht kaputt, also wird es repariert. Was früher normal war, scheint heute bei vielen Produkten nicht mehr üblich zu sein. Elektronische Geräte werden beispielsweise immer kürzer genutzt. In den Augen der Verbraucher liegt das oft daran, dass die Geräte schneller kaputt gehen und nicht repariert werden können. Manche vermuten sogar eine geplante Obsoleszenz, also dass Hersteller die Produkte mit Absicht mit kürzerer Haltbarkeit entwickeln. Die Reparatur wird oft erschwert, weil sich Geräte gar nicht öffnen lassen, es keine Ersatzteile gibt oder die Reparatur zu kompliziert und damit am Ende auch oft zu teuer wäre.
Aus ökologischer Sicht ist die längere Nutzung von Produkten besser, da der Aufwand für die Herstellung von neuen Produkte hoch ist. In einer Kreislaufwirtschaft ist die Reparatur daher oft besser als Recycling.
Initiativen für Reparatur
Es gibt daher einige Initiativen fürs Reparieren wie zum Beispiel die „Repair-Cafés“, bei denen defekte Geräte gemeinsam repariert werden können. In Deutschland sind diese oft im Netzwerk Reparatur-Initiativen organisiert. Aus den USA stammt die Wiki-basierte Internetseite iFixit, auf der die Nutzer Reparaturanleitungen veröffentlichen und Werkzeuge dafür kaufen können. Beide Organisationen sind Partner des 2015 gegründeten „Runder Tischer Reparatur“. Und auch auf europäischer Ebene gibt es auch eine Kampagne für das Recht auf Reparatur.
Dieses Engagement hat schon erste Erfolge erzielt. So plant die EU-Kommission in ihrem aktuellen Aktionsplan zur Kreislaufwirtschaft auch die Schaffung eines „Rechts auf Reparatur“. Die Rechte der Verbraucher sollen gestärkt werden, so dass sie bessere Informationen zu Verfügbarkeit von Reparaturdiensten, Zugang zu Ersatzteilen und Reparaturanleitungen erhalten. Diese Maßnahmen sollen insbesondere für den Sektor Elektronik und IKT (Informations- und Kommunikationstechnik), aber auch für Textilien gelten.
Nun sind dies aber auch gerade Branchen, die von schnellen Weiterentwicklungen und Trends leben. Eins daher vorweg: Ein Recht auf Reparatur ist nur erfolgreich, wenn die Kunden die Produkte wirklich weiter nutzen möchten und nicht lieber die Chance zum Neukauf nutzen. Für eine längere Nutzung von Produkten müssen daher auch andere Themen betrachtet werden (siehe 6 Designprinzipien gegen das Veralten von Produkten).
Aspekte beim Reparieren
Es gibt verschiedene Aspekte, die ein Reparieren von Produkten ermöglichen:
- das Design der Produkte
- die Verfügbarkeit von Ersatzteilen
- der Zugang zu Informationen und Werkzeugen (z.B. Handbücher, Anleitungen, technische Daten, Diagnose-Tools, etc.)
- die Reparateure, also wer das Produkt reparieren kann und darf (Hersteller, unabhängige Werkstätten, Käufer)
- der Preis der Reparatur in Bezug auf die anderen Aspekte

Auf genau diese Aspekte beziehen sich auch die Forderungen der Initiativen für Reparatur. Darüber hinaus ist auch die Transparenz über diese Themen für die Verbraucher wichtig, um die Reparierbarkeit von Produkten einschätzen zu können.
Produktdesign
In erster Linie sollen Produkte schon von Anfang an so entwickelt werden, dass sie leichter zu reparieren sind. Dafür muss man die Produkte leicht auseinander- und wieder zusammenbauen können (z.B. Verbinden der Teile mit Schrauben statt Kleber). Soweit möglich sollten gängige Komponenten verwendet werden. Apple ist beispielsweise in Kritik geraten, weil die Firma in einigen Produkten spezielle Schrauben genutzt hat, für die es bis dahin kaum Schraubenzieher gab. Der Vorteil bei einem Design für Reparatur ist, dass es auch oft eine Wiederaufbereitung der Geräte oder Demontage fürs Recycling unterstützt. Auch eine Aufrüstung (Upgrading) ist dann leichter möglich, zum Beispiel mit einem besseren Akku oder Speicher.
Bei Mobiltelefonen ist das Fairphone hier ein gutes Beispiel. Das Handy besteht aus austauschbaren Modulen und kann mit dem mitgelieferten Schraubenzieher selbst repariert werden. Aktuell hat das Gerät damit auch bei iFixit den besten Wert für Reparierbarkeit unter den Handys erreicht.
Ersatzteile
Aus Sicht der Verbraucher sollten Hersteller verpflichtet sein, möglichst lange ausreichend Ersatzteile für mögliche Reparaturen zur Verfügung zu stellen. In der Umsetzung stellt sich aber die Frage, wie lange Hersteller dazu verpflichtet werden sollten und wie schnell sie Ersatzteile liefern können müssen. Weder für die Hersteller noch für die Umwelt sind riesige Lager mit vielleicht nicht genutzten Ersatzteilen eine gute Lösung. Die EU plant hier Mindestzeiträume für das Vorhalten der Ersatzteile je nach Gerätetyp und eine maximalen Lieferzeit einzuführen.
Im Idealfall wird die Frage daher schon im Produktdesign mit berücksichtigt. Wenn ein Hersteller beispielsweise gleiche Komponenten in verschiedenen Geräten verwenden kann, muss er weniger unterschiedliche Ersatzteile bereitstellen. Und wenn der Hersteller Ersatzteile relativ einfach vor Ort produzieren kann (z.B. auch über 3D-Drucker), kann er sie erst im Bedarfsfall herstellen und just-in-time liefern. Die Anleitungen für das Herstellen der Ersatzteile könnten sogar unabhängigen Werkstätten oder den Käufern zugänglich gemacht werden.
Informationen und Werkzeuge
Um ein Produkt zu reparieren, brauche ich neben den Ersatzteilen oft weitere Informationen oder Werkzeuge (z.B. technische Daten, Handbuch/Reparaturanleitung, Diagnose-Software). Je nach Produkt sind diese zusätzlichen Informationen und ggf. benötigten Tools mehr oder weniger umfangreich in der Erstellung. Dementsprechend wollen auch nicht alle Unternehmen diese frei herausgeben, sondern bieten Reparatur nur selbst als Service an oder verlangen eine Gebühr für die Nutzung der Tools. Wenn die Reparaturanleitung (wie teilweise gefordert) Pflicht wird, könnte also auch der Preis der Produkte steigen. Offen bleibt wie gut diese “Pflicht”-Anleitungen dann wirklich wären und wer eine ausreichende Qualität kontrollieren sollte.
Reparateur
Gerade bei komplexeren Geräten berufen sich die Hersteller darauf, dass nur sie die Qualität und Sicherheit der Produkte bei einer Reparatur sicherstellen können. Sie fürchten auch einen Imageschaden, wenn andere ihre Produkte fehlerhaft reparieren und Kunden dies dann dem Produkthersteller zuschreiben. Gleichzeitig ist es aus Verbrauchersicht auch verständlich, wenn sie Geräte selbst reparieren oder einen unabhängigen Service nutzen möchten. Ein guter Ansatzpunkt für die Lösung kann hier die Kfz-Branche sein, in der es schon seit Jahren herstellerunabhängige Werkstätten mit Zugriff auf die benötigten Ersatzteile, Informationen und Werkzeuge gibt.
Preis der Reparatur
Bei allen Aspekten spielt der Preis eine wichtige Rolle. Denn als Verbraucher werde ich mein Produkt in der Regel nur reparieren (lassen), wenn dies günstiger als der Neukauf ist. Gerade bei vielen Billigprodukten ist das nicht der Fall, insbesondere wenn ich das billig im Ausland hergestellte Gerät bei einer Werkstatt in Deutschland reparieren lassen will. Eine Möglichkeit aus der Politik beim Preis zu unterstützen wäre ein reduzierter Mehrwertsteuersatz auf Reparaturdienstleistungen. Das wird beispielsweise in Schweden oder Frankreich bereits genutzt, um den Reparatursektor zu stärken. Für mehr Nachhaltigkeit müssen wir langfristig aber auch die Einhaltung von Umwelt- und Sozialstandards bei der Herstellung von Produkten durchsetzen. Produkte werden dann zwangsläufig teurer, wodurch sich auch eine Reparatur eher lohnt.
Umgekehrt ist aktuell schon bei einigen hochpreisigen Produkten (z.B. Autos, Industriemaschinen, elektronische Geräte) auch die Reparatur sehr teuer. Während beim Kauf oft ein starker Preisdruck herrscht, versuchen Hersteller das mit besseren Gewinnmargen bei Reparatur oder Ersatzteilen auszugleichen. Daher gestalten Hersteller auch die oben genannten Aspekte so, dass nur sie die Reparatur durchführen können (oder zertifizierte Werkstätten mit Original-Ersatzteilen). So lange der Konsument beim Kauf primär auf den Preis achtet und die Reparaturfähigkeit- und -kosten nicht berücksichtigt, ist dieser Weg aus Sicht der Hersteller verständlich. Es wäre auch schwierig den Preis gesetzlich zu deckeln.
Transparenz über Reparierbarkeit
Eine andere Stoßrichtung der Initiativen und Politik ist daher auch die Reparierbarkeit von Produkten zu bewerten und den potentiellen Käufern transparent zu machen (z.B. über eine Skala oder ein Siegel). Die EU-Kommission hat dafür schon eine Studie über ein mögliches Bewertungssystem für die Reparaturfreundlichkeit von Produkten durchgeführt. In dem vorgestellten Modell werden die Produkte dann nach der Verfügbarkeit von Informationen, dem Produktdesign und Service bewertet. Auch iFixit bewertet die Reparierbarkeit von verschiedenen Laptops, Tablets und Smartphones auf einer Skala von 1-10.
Damit wissen Verbraucher dann schon vor dem Kauf genauer, welche Möglichkeiten (und Kosten) sie im Falle der Reparatur haben. Es bleibt aber die Frage, wie wichtig dieses Kriterium neben den vielen anderen Produkteigenschaften wird.
Verantwortung der Hersteller
Ein ganz anderer Weg für mehr Reparaturen wäre es hingegen, die Verantwortung für das Produkt noch stärker und über den gesamten Lebenszyklus bei den Herstellern zu lassen. Ein Modell ist hier, dass der Hersteller Eigentümer des Produktes bleibt und es nur als Dienstleistung anbietet. Die Verbraucher würden dann keine Waschmaschinen, Fernseher etc. mehr kaufen, sondern von den Produzenten mieten. Damit haben die Unternehmen auch stärkere Anreize, die genutzten Geräte so zu entwickeln, dass sie diese leicht reparieren, wiederaufbereiten oder die Materialien neu verwerten können. Auch die EU-Kommission will solche Geschäftsmodelle in ihrem Aktionsplan fördern.
Es gibt somit viele Möglichkeiten, um den Verbrauchern ein stärkeres Recht auf Reparatur zu ermöglichen. Die Umsetzung im Detail wird aber sicherlich nicht einfach.
Wie sind eure Erfahrungen mit dem Reparieren von Produkten? Und glaubt ihr, dass ein Recht auf Reparatur umgesetzt werden kann?