Was ist Urban Mining?
In Deutschland sind wir umgeben von über 50 Mrd. Tonnen an genutzten Materialien, die sich in Gebäuden, Infrastrukturen, Anlagen und Konsumgütern befinden. Dieses von uns Menschen gemachte Lager wächst jedes Jahr um 10 Tonnen pro Einwohner an. Denn von den 1,3 Mrd. Tonnen Material, die jedes Jahr in Deutschland genutzt werden, landet weniger als ein Drittel im Abfall. (Umweltbundesamt)
Der Rest verbleibt überall um uns herum in verschiedenen langlebigen Gütern. Bei gleichzeitiger weltweiter Ressourcenknappheit wird es damit auch immer interessanter dieses wachsende Lager als Quelle für Ressourcen zu betrachten. Genau damit beschäftigt sich Urban Mining – der „städtische Bergbau“.
„Aus Sicht des Umweltbundesamtes ist Urban Mining die integrale Bewirtschaftung des anthropogenen Lagers mit dem Ziel, aus langlebigen Gütern sowie Ablagerungen Sekundärrohstoffe zu gewinnen.“
Umweltbundesamt
Anthropogen bedeutet, dass diese Lager durch den Menschen beeinflusst bzw. verursacht wurden. Zu diesen langlebigen Gütern zählen Konsumgüter wie Autos oder Elektrogeräte, aber auch Gebäude und die Ablagerungen auf Deponien. Dabei spiele es keine Rolle, ob die Güter aktuell noch aktiv genutzt werden oder schon nicht mehr in Verwendung sind. Urban Mining ist eine langfristige Betrachtung.
Eine Sonderdisziplin des Urban Mining ist das sogenannte Landfill Mining – der gezielte Rückbau von Altdeponien und die Gewinnung von Wertstoffen aus Altdeponien und Halden.
Wachsende Bedeutung der Rohstoffe
Deutschland importiert aktuell über ein Drittel der jährlich benötigten Materialien (rund 600 Mio. Tonnen). Weltweit müssen dafür aber 1,7 Mrd. Tonnen an Rohstoffen aus der Natur gewonnen werden. Denn wir importieren nicht nur Rohstoffe, sondern auch verarbeitete Produkte, die wiederum mehr Rohstoffe in der Herstellung verbrauchen. (Umweltbundesamt)
Insgesamt ist der weltweite Bedarf an Rohstoffen in den letzten Jahrzehnten immer weiter gestiegen. Mit dem Wirtschaftswachstum in den Schwellenländern und neuen Technologien wird die Nachfrage nach Rohstoffen auch weiter zunehmen.
Dabei sind die Rohstoffe der Erde begrenzt und auch ungleich in der Welt verteilt. Die EU stuft 27 Rohstoffe als kritisch ein, das heißt bei diesen Rohstoffen hätte ein Versorgungsengpass größere Folgen für die Wirtschaft. Bei vielen dieser Rohstoffe ist die EU zu einem hohen Anteil von bis zu 100% vom Import aus anderen Ländern abhängig.
Zum Beispiel kommen aktuell mehr als 90% der verbrauchten seltenen Erden (die man u.a. für Handys und Laptops braucht) aus China. Damit hat das Land auch ein enormes Druckmittel in möglichen Handelsstreitigkeiten.
Vorteile der urbanen Minen
In Anbetracht dieser wachsenden Probleme bei der Beschaffung von Rohstoffen aus natürlichen Lagern, bietet die Nutzung unserer selbst geschaffenen Lager viele Vorteile. Für viele Rohstoffe gibt es mittlerweile schlicht ein größeres Vorkommen in den von den Menschen produzierten Gütern als in der Natur. Es werden zwar neue geologische Vorkommen erschlossen, aber der Aufwand zur Gewinnung der Ressourcen steigt. Gleichzeitig sind die Rohstoffe in den anthropogenen Lagern oft in einer hohen Qualität und sie sind genau dort, wo auch die Rohstoffe benötigt werden. Das spart Transportkosten und die Abhängigkeit vom Import.
Die systematische Bewirtschaftung dieser vom Menschen verursachten Lagerstätten wird damit immer mehr zu einer sinnvollen Alternative zum Abbau von Primärrohstoffen aus natürlichen Lagern. Urban Mining wird in den nächsten Jahren und Jahrzehnten mehr und mehr an Bedeutung gewinnen – gerade auch im Rahmen der Kreislaufwirtschaft.
Ablauf des Urban Mining
Beim Ablauf des Urban Mining gibt es dabei durchaus Parallelen zum klassischen Bergbau: Zunächst müssen die Vorkommen gefunden (Prospektion), dann genauer erkundet (Exploration) und schließlich erschlossen und ausgebeutet werden. Anschließend erfolgt die Aufbereitung der gewonnenen Sekundärrohstoffe.

Manche dieser Prozesse, z.B. das Recycling von Rohstoffen, passieren dabei durchaus im Rahmen der normalen Abfallwirtschaft. Vieles davon ist auch nicht neu. Alte Metalle werden schon seit Jahrhunderten wieder eingeschmolzen und dann für neue Produkte genutzt.
Was ist dann der Unterschied zwischen beiden Disziplinen? Die Abfallwirtschaft beschäftigt sich mit dem Abfall an sich; wie viel Müll produziert wird, wie der sich zusammensetzt und wie die Materialien bestmöglich verwertet werden können. Urban Mining hingegen betrachtet den gesamten Bestand an langlebigen Gütern, um frühestmöglich über mögliche Ressourcen und deren Verwertung Bescheid zu wissen. Beide Ansätze ergänzen sich damit.
Wie können wir Urban Mining nutzen?
Um die Potentiale von Urban Mining zu nutzen, brauchen wir weitere Informationen. Hierfür hat das Umweltbundesamt fünf Leitfragen aufgestellt:
- Wo sind die Lager?
- Wie viel und welche Güter und Materialien sind enthalten?
- Wann werden die Lager für die Rohstoffgewinnung verfügbar sein?
- Wer ist an der Gewinnung beteiligt?
- Wie lassen sich Stoffkreisläufe effektiv schließen?
Das Umweltbundesamt hat auch eine Datenbank entwickelt, um die anthropogenen Lager zu kartieren und die Menge an Sekundärrohstoffen zu prognostizieren.
Eine Möglichkeit ist auch ein Gebäude- bzw. Materialpass für Gebäude, der alle verwendeten Materialien auflistet. Diese Idee verfolgt auch das europäische Projekt BAMB – Buildings As Material Banks, um die Kreislaufwirtschaft im Bauwesen zu fördern.
Denn wie auch beim Recycling ist es wichtig, sich möglichst früh Gedanken über die weitere Verwertung von verwendeten Materialien am Lebensende von Produkten oder anderen Gütern zu machen. Im Idealfall sollte das schon im Design der Produkte, aber auch bei der Planung von Gebäuden und Infrastruktur berücksichtigt werden.
Weitere Informationen
Viele weitere Informationen zu Urban Mining findet ihr auf der Webseite des Umweltbundesamts, u.a. auch eine umfangreiche Broschüre und Details zur Kartierung des anthropogenen Lagers in Deutschland.

Um das Thema etwas anschaulicher zu machen, hier zwei Videoempfehlungen von deutschen Dokumentationen über Urban Mining:
47 min. VPRO-Dokumentation, veröffentlicht am 29.10.2019.
In der Dokumentation wird u.a. gezeigt wie in einer Fabrik von Umicore in den Niederlanden Elektroschrott recycelt wird. Eine Quelle dafür sind die vom niederländische Sozialunternehmen Cloosing the Loop in Afrika gesammelten Mobiltelefone. Außerdem sieht man Beispiele für Landfill Mining und wie aus Deponien Materialien gewonnen werden.
45 min. Sendung vom 29.10.2012. 3sat
Diese Dokumentation ist etwas älter, aber trotzdem interessant und sicherlich noch aktuell. Gezeigt werden Beispiele aus Österreich, u.a. wie Metalle und andere Rohstoffe recycelt werden und neue Recyclingtechnologien. Der hier erwähnte Blog urbanmining.at wurde mittlerweile leider eingestellt. Es gibt auch weitere Informationen über seltene Erden und die Bedeutung der kritischen Rohstoffe für viele Güter in unserer modernen Wirtschaft.