Biomimicry – Innovationen aus der Natur

Von der Natur lernen, um menschliche Herausforderungen und Designprobleme zu lösen. Über Biomimicry als Ansatz für nachhaltige Innovationen.

Was ist Biomimicry?

Bei Biomimicry (deutsch Biomimikry) geht es darum, von der Natur zu lernen, um menschliche Probleme durch nachhaltige Innovationen zu lösen. Der Begriff setzt sich aus den griechischen Wörtern „bios“ (Leben) und „mimese“ (Nachahmen) zusammen. Teilweise wird auch von Biomimetics (deutsch Biomimetik) gesprochen.

Die amerikanische Wissenschaftsschriftstellerin Janine Benyus hat den Begriff Ende der Neunziger Jahre geprägt und das Konzept vorangetrieben. Sie hat auch das Biomimicry Institute gegründet, das viele Informationen und Ressourcen rund um das Thema bereitstellt.

Der Grundgedanke bei dem Ansatz ist, dass die Natur im Rahmen der Evolution über tausende Jahre hinweg geniale Lösungen entwickelt hat, z.B. um Wasser oder Energie zu gewinnen, bei Wärme-/Kälteisolation oder im Transport.

“When we look at what is truly sustainable, the only real model that has worked over long periods of time is the natural world.”

Janine Benyus
übersetzt: “Wenn wir uns ansehen, was wirklich nachhaltig ist, dann ist das einzige wirkliche Modell, das über lange Zeiträume hinweg funktioniert hat, die natürliche Welt.”

Biomimicry analysiert diese Lösungen und die zugrundeliegenden Prinzipien, um sie auf menschliche Herausforderungen zu übertragen. Es geht dabei nicht nur um technische Erfindungen, sondern auch um neue Herangehensweisen und Innovationen für mehr Nachhaltigkeit.

Ein verwandtes Feld ist die Bionik, bei der auch Lösungen für technische Probleme in der Natur gesucht werden. Eines der ersten Beispiele hierfür war z.B. Leonardo da Vinci, der den Flug der Vögel analysiert hat, um eine Flugmaschine zu entwickeln. Auch die Erfindung des Klettverschlusses auf Basis von Kletten in der Natur ist eine Anwendung von Bionik. Oder die Nutzung des Lotuseffekts, also dass Wassertropfen von den Blättern der Lotuspflanze abperlen. Bei Bionik geht es also eher um technische Einzellösungen. Biomimicry hingegen hat den Anspruch ganze Systeme zu berücksichtigen.

Anwendung von Biomimicry

Die Natur als Vorbild zu nehmen ist also nur der erste Schritt. Danach kommt der nutzerzentrierte und auf den Menschen fokussierte Innovationsprozess. Es geht also nicht nur ums Nachahmen, sondern auch um eine Abstraktion für die Lösung unserer Probleme.

Die Beratung Biomimicry 3.8 unterstützt beispielsweise bei solchen Innovationsprozessen und hat auch einen Leitfaden und verschiedene Werkzeuge für die Anwendung im Designprozess entwickelt. Ihr „Biomimicry Thinking“-Ansatz kann zum einen verwendet werden, wenn ein Problem besteht, wofür eine Lösung aus der Natur gefunden werden soll (challenge-to-biology). Zum anderen kann man auch mit einer interessanten Lösung aus der Natur starten und dann eine Anwendung finden (biology-to-design).

Biomimicry Thinking von Biomimicry 3.8
Biomimicry Thinking I Biomimicry DesignPerspektive I © Biomimicry 3.8

Ein Beispiel ist die Weiterentwicklung des japanischen Schnellzugs Shinkansen. Der Shinkansen „Bullet Train“ war der schnellste Zug der Welt. Aber bei der Fahrt durch Tunnel hat er aufgrund seiner hohen Geschwindigkeit viel Krach verursacht. Beim Einfahren wurde Luft im Tunnel gestaut, die dann beim Herausfahren in einem lauten Knall entwich. Das war nicht nur störend für Anwohner und Natur, sondern hat auch den Zug verlangsamt.

Auf der Suche nach einer Lösung haben die Entwickler sich schließlich an Eisvögeln orientiert. Diese haben einen sehr langen, schmalen Schnabel, mit dem sie ins Wasser eintauchen können, ohne Wellen zu verursachen. Die Ingenieure haben die Zugspitze dann dem Design dieses Schnabels angepasst. Bei dem verbesserten Zug konnte der Luftdruck so um 30 % verringert werden und der Energiebedarf um 15 %. Und obwohl der Zug sogar noch schneller als der Vorgänger war, hat er weniger Lärm verursacht. Eine gute Darstellung für dieses Beispiel gibt auch als Clip von der BBC: How a kingfisher helped reshape Japan’s bullet train.

Verbindung zur Kreislaufwirtschaft

Auch das Konzept der Kreislaufwirtschaft basiert letztendlich auf den Kreisläufen in der Natur, wodurch es eng mit der Idee von Biomimicry verbunden ist. Die Nachahmung der Natur ist aber auch ein guter Ansatz, um Kreislaufwirtschaft zu ermöglichen. Denn für den Wandel von einer linearen Welt mit Abfall hin zu einer Kreislaufwirtschaft brauchen wir vor allem bessere Lösungen im Design von Produkten – und hier können wir von der Natur lernen.

Kennt ihr noch weitere Beispiele oder Anwendungsfälle?


Weitere Informationen

Janine Benyus und Biomimicry Institute, insbesondere

BBC Serie „30 Animals that made us smarter”

Online-Kurse zu über Learn Biomimicry oder Biomimicry Academy

Biomimicry DesignLens als Leitfaden und Design Guide (auch auf deutsch verfügbar)

In Deutschland widmet sich auch der Neurowissenschaftler Dr. Arndt Pechstein der Biomimicry. Seine Innovationsberatung phi360 unterstützt Organisationen bei Veränderungen und verknüpft dabei Biomimicry auch mit Agile und Design Thinking sowie Geschäftsmodellen aus der Kreislaufwirtschaft. Er hat u.a. mit Dr. Prateep Beed den Verein Biomimicry Germany e.V. gegründet, um die akademische Bildung in dem Bereich zu unterstützen.

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